Wenn man sich an die Medien wenden möchte,

dann sollte man zur eigenen Sicherheit einige Hinweise beachten !


Wenn Sie Informationen und/oder Unterlagen an die Medien geben wollen, geht es darum, dass Sie drei Dinge zusammenbringen wollen:

  • erstens Ihr Anliegen,
  • zweitens ein geeignetes Medium
  • und drittens einen professionellen Journalisten.

Außerdem versuchen Sie - sozusagen viertens - dabei keine ‚dummen Fehler' zu machen. Zu all diesen Dingen geben wir Hinweise. Um unsere Hinweise und Tipps übersichtlicher zu halten, unterteilen wir alles in kleinere Abschnitte. Ihre Reihenfolge ergibt sich aus einem typischen Ablauf wie er sich gewöhnlich in solchen Situationen einstellen kann. Es ist dies der beginnende Arbeitsablauf zwischen Informant und Journalist.

Dazu der Hinweis: Was Sie hier jetzt gleich konkret lesen, ist Bestandteil des Projekts DokZentrum ansTageslicht.de und zusätzlich ansteuerbar über die Links www.informanten.org sowie www.informanteninfo.de. Allgemeine Hinweise für Whistleblower finden Sie auf diesem Portal, wenn Sie entsprechende Aspekte auf der linken Navigationsleiste aufrufen oder wenn Sie dies alles über den Link www.whistleblowerinfo.de aufrufen.

Die wichtigsten Unterschiede zwischen "Informant" und "Whistleblower":

  • Informanten wenden sich an die Medien uns sind rechtlich geschützt durch das Redaktionsgeheimnis: Der Journalist muss niemandem erklären, von wem er seine Informationen hat. Juristisch nennt man dies auch Zeugnisverweigerungsrecht.
  • Whistleblower sind Menschen, die entweder (erst) intern Hinweise geben oder Behörden einzuschalten versuchen oder gleich an die Öffentlichkeit gehen. Z.B. wenn sie bei den Medien kein Gehör finden. Sie sind - in Deutschland - nicht geschützt.

Hier findet sich ein kleines Diagramm, das die Unterschiede nochmals grafisch skizziert. Die nachfolgenden Überlegungen beziehen sich auf potenzielle "Informanten", die sich an die Medien wenden (möchten).

Auswahl eines geeigneten Mediums

Auch Medien habe ihre eigenen ‚Gesetze', sprich Spielregeln, die sich an ihrem journalistischen Konzept orientieren. Was sie veröffentlichen, hängt davon ab, wer diese Medien nutzt bzw. wen die Medien auch wirklich ansprechen (können oder wollen). Dies sollte man berücksichtigen, wenn man auf der Suche nach einem geeigneten Medium für die eigenen Informationen ist. In Frage kommen dafür Printmedien (Zeitungen, Zeitschriften), Fernsehformate, die Onlineportale dieser Medien oder auch selbstständige Online-Portale, die sich als Medien verstehen. Zwischen allen gibt es Unterschiede, die für Ihre Informationen bedeutsam sein können. An dieser Stelle hier beschäftigen wir uns mit einigen grundsätzlichen Überlegungen bei der Wahl eines Mediums. Einige konkretere Hinweise, wie man auf die Medien zugehen kann, lesen Sie unter An wen man sich (sonst) wenden kann.

Printmedien:

Eine lokale Tageszeitung wird vorwiegend im Einzugsbereich eben dieser Zeitung gelesen und die Leser setzen sich aus allen Bevölkerungsschichten zusammen. Die inhaltlichen Bezüge der Nachrichten und Berichte fallen - vom allgemeinen Politikteil abgesehen - eher lokal oder regional aus.
In den beiden großen Nachrichtenmagazinen aus Hamburg (SPIEGEL) und München (Focus), die bundesweit gelesen werden, stehen vor allem Geschichten, die entweder deutschlandweit von Interesse sind, weil sich ihre diversen Aspekte auf Ebenen abspielen, die für viele interessant sind, oder es sind Geschichten, die (zunächst) nur eine lokale Bedeutung haben, die aber so ‚deftig' oder so ungewöhnlich ausfallen, dass sie auch Lesern an anderen Orten nicht vorenthalten werden sollen.

Die Leserschaft solcher überregionaler Magazine, insbesondere von Nachrichtenmagazinen ist eine andere als jene einer Tageszeitung - es sind vor allem Leser mit vergleichsweise hohem Einkommen und Bildungsstand, Akademiker (inklusive Studenten), so genannte Entscheidungsträger und natürlich auch Politiker, die solche "Nachrichten"-basierten Magazine nutzen. Außerdem: Fast alle Journalisten lesen sowohl SPIEGEL als auch Focus und orientieren sich oft an deren Themen. 
Natürlich unterscheiden sich beide Magazine in ihrer thematischen Schwerpunktsetzung. Aber wer beide Magazine über zwei oder drei Wochen hinweg parallel liest und dann vergleicht, bekommt schnell ein Gespür dafür, wo seine Informationen am besten aufgehoben wären.

Die Wochenzeitung DIE ZEIT zum Beispiel, die ebenfalls bundesweit gelesen wird, hat das Image, "seriös" zu sein. Was dort drin steht, gilt von vorneherein als unbestritten bzw. ‚wahr' und strahlt entsprechend ab. Weil die Wochenzeitungsmacher immer jeweils eine ganze Woche haben, um zu recherchieren und ihre Berichte und Artikel zusammenzustellen, bzw. eine Wochenzeitung nur 52 Male im Jahr erscheint, konkurrieren viele Geschichten auch um den Platz, der in 52 Ausgaben zur Verfügung steht. Gleiches gilt für die Nachrichtenmagazine.

In den landesweit verbreiteten Tageszeitungen (z.B. Süddeutsche Zeitung, Frankfurter Allgemeine Zeitung, Die Welt, Frankfurter Rundschau oder auch taz) ist es oft einfacher, Informationen bzw. Geschichten unterzubringen, denn sie wollen (werk)täglich erscheinen und müssen dazu ihre Zeilen füllen. Von Vorteil ist es, wenn solche bundesweiten oder auch ‚nur' überregionalen Tageszeitungen (z.B. WAZ in Nordrhein-Westfalen oder Augsburger Allgemeine im Bayerischen) für bestimmte Regionen eigene Regionalausgaben drucken. Dann hat beispielsweise eine Geschichte mit (zunächst) lokalem Bezug bessere Chancen: im Regional- oder Lokalteil. Später vielleicht sogar in der landesweiten Ausgabe, wenn die Geschichte genug "trägt".

Anders verhält es sich z.B. beim wöchentlich erscheinenden "stern". Der "stern" versteht sich als Illustrierte und ist deshalb eine Kombination bzw. bunte Mischung aus Unterhaltung, schönen (oder auch ‚heftigen' bzw. eindringlichen) Bildern und News. Hintergrundgeschichten im "stern", wenn sie nicht das Zeug zur Titelgeschichte oder zum groß aufgemachten Thema im Innenteil haben, gibt es dort eher nicht. Vor allem ‚große', sprich medienwirksame Geschichten, die sich auch gut bebildern lassen, haben dort eine Chance. Konkret: je mehr Prominenz der Namen oder Unternehmen, je skandalträchtiger die Geschichte, umso größer die Wahrscheinlichkeit, damit beim stern auch zu landen.

In Österreich heißen die wichtigen Zeitschriften, die in Frage kommen, News, Profil oder Format, in Wien auch Falter. In der Schweiz sind das Fact oder Cash. Aber auch schweizerische (Tages-)Zeitungen bringen viele brisante Informationen, z.B. die SonntagsZeitung, der Tages-Anzeiger, die Baseler Zeitung, die WoZ (Wochen-Zeitung) oder die Weltwoche, u.a.m..

Fernsehen:

Für das Fernsehen gelten ganz andere Regeln. Die Öffentlich-Rechtlichen Sendeanstalten wie ARD und ZDF haben einen Programmauftrag, der sich nicht ausschließlich an Einschaltquoten bemisst. Deshalb werden diese Sender auch mittels Gebühren finanziert. Bei den privaten Fernsehunternehmen zählen vor allem Sendungen und Inhalte (so genannte Formate), die genügend Werbekunden anziehen, denn nur was Quote macht, bringt Kasse. 

Formate, die an Informationen von Whistleblowern interessiert sind, finden sich daher vor allem bei den Öffentlich-Rechtlichen. Denn die stellen schon von der Menge (Programmstunden) her gesehen den größten Anteil an Informations- und Dokumentationsformaten in der gesamten Fernsehlandschaft. Die politischen Nachrichtenmagazine bei der ARD, die ‚heiße' Themen anfassen, heißen Panorama (NDR), Monitor (WDR), Kontraste (SFB), Fakt (MDR) und Report (SWR, BR). Beim ZDF sind dies frontal21, Reporter oder ZDF Zoom. Aber auch der Länderspiegel gehört dazu.

Alle ARD-Sender haben, auch wenn sie keine eigenständige Politmagazin-Redaktion unterhalten, zumindest eine landesweite Nachrichtensendung, die vor der Tagesschau im Dritten Programm über den Sender geht. Einige der Sendeanstalten (z.B. NDR, WDR, MDR, SWR, BR, ZDF) haben außerdem Regionalstudios, in denen Journalisten Informationen und Nachrichten aus ihrem Einzugsgebiet recherchieren und produzieren - entweder für das landeseigene Nachrichtenprogramm oder für die bundesweiten Nachrichtensendungen oder für die anderen Formate, die sich mit brisanten Hintergrundgeschichten und Ähnlichem befassen. Aber auch hier ist es oft effektiver, die Redakteure vor Ort bzw. in der näheren Umgebung anzusprechen als die Zentralredaktionen am Stammsitz der Sendeanstalten. Welcher Sender wo Regionalstudios unterhält, lässt sich mittels eines Telefonanrufs am Hauptsitz oder auf deren Homepage abfragen.

Trotz des völlig anderen ökonomischen und deshalb auch journalistischen Konzepts: Auch bei den privaten Sendern arbeiten engagierte Journalisten. Und auch die "Privaten" haben kritische und oder verbraucherorientierte Formate, in denen es um die Sorgen und Nöte der ‚kleinen Leute', aber auch um offenkundige Missstände und dergleichen geht. Nur nicht eben in der großen Menge und häufig eben doch mit anderer Themenpräferenz. Und nur ab und an wagen sich die "Privaten" aus der Deckung und lassen harte Fakten bzw. Bilder über den Sender laufen, auch wenn sich darüber die entsprechenden Werbekunden nicht gerade freuen (z.B. das Format Team Wallraff - Reporter undercover auf RTL).

Der beste Weg, ein geeignetes Medium zu finden, ist jener, zu überlegen, wie die eigene Geschichte aussehen könnte und dann zu vergleichen, wo sie am besten hinpassen würde und wo schon ähnliche Geschichten gelaufen sind. Bei diesen Überlegungen sollten Sie sinnvollerweise aber vorrangig die jeweiligen Spielregeln der Medien berücksichtigen und nicht so sehr auf den eigenen Wünschen oder Vorstellungen bestehen wollen.

Zwei der wichtigsten 'Spielregeln' bzw. Voraussetzungen beim Fernsehen sind - neben dem Umstand, dass sich ein TV-Journalist für das Thema interessieren muss - zwei Dinge:

  • Das Thema bzw. Problem muss sich auch in Bildern erzählen lassen (können)
  • Ein TV-Beitrag barucht immer "O-Töne", also Interviews oder Statemnets von Personen, die bereit sind, vor die Kamera zu gehen. Selbst wenn sie sich verpixeln oder sonstwie unkenntlich machen lassen (wollen oder müssen).

Das Medium Fernsehen funktioniert nur mit diesen beiden Erzählformaten.

Online-Medien und - Plattformen:

Alle großen Zeitungen und Zeitschriften haben längst ihren eigenen Online-Auftritt. Mit unterschiedlichen Zielsetzungen und Konzepten. Wichtig zu wissen ist, dass die Online-Redaktion bei vielen Medien völlig unabhängig von der sonstigen und in der Regel sehr viel größeren (Print-)Redaktion arbeiten. So etwa beim SPIEGEL, Focus, stern, DIE ZEIT, WAZ und anderen.

Davon abgesehen etablieren sich immer mehr auch kleinere lokale Internetportale, die über das berichten, was die Großen und Etablierten nicht schreiben (wollen). Sie haben in der Regel aber (noch) nicht so viele Nutzer wie die Etablierten. Zum Beispiel www.correctiv.org oder auch unser Dokumentationszentrum (DokZentrum ansTageslicht.de: www.ansTageslicht.de). Und es gibt eine ganze Reihe von sonstigen Websites, eingeschlossen sogenannte Leaking-Plattformen. Zu letzterem mehr auf der Website www.investigativ.org (dort Kapitel 5).

Unterschiede zwischen TV und Print

Und noch eine Gesetzmäßigkeit bzw. Spielregel ist wichtig. Printmedien (Zeitungen, Magazine usw.) drucken vor allem Text und ein wenig auch Bilder. Fernsehformate senden in Bildern, und nur in Bildern, die allerdings mit Texten unterlegt sind. Dies hat unmittelbar Konsequenzen für die Art der Informationen und die daraus machbaren Geschichten.

Das Fernsehen sendet nur das, was es bebildern kann und wo irgendwelche Menschen Interviews ("O-Töne") zu geben bereit sind. Fernsehberichte ohne Bilder oder O-Töne gibt es nicht. Und wenn ein Informant auf keinen Fall selbst vor die Kamera will und sich auch niemand anderes findet, der Ähnliches ins Mikrofon sagen könnte, sieht es schon mal ganz schlecht mit Fernsehen aus.

Ein Printmedium kann da anders agieren. Es kann Dinge, für die es auch Bilder gäbe, mit Worten beschreiben. Selbst dann, wenn Fotografieren oder Filmen nicht zugelassen wird. Textbasierte Medien können auch kompliziertere Zusammenhänge beschreiben. Denn ein Leser kann sein Lese- und Verständnistempo selbst bestimmen. Ein Fernsehbericht läuft in der inhaltlichen Geschwindigkeit ab, die der Redakteur bestimmt - nach 6, 7 oder auch einigen mehr Minuten ist die Geschichte vorbei.

Printmedien können z.B. auch Zitate, Statements oder auch Auszüge aus Interviews bringen, ohne dass die betroffenen Personen zu sehen sind oder beschrieben würden - Anonymisierung lässt sich in textlicher Form einfacher handhaben als beim TV, wo es für (fast) alles immer Bilder und/oder O-Töne geben muß.

Und noch ein Unterschied ist von Bedeutung: Leser können einen Artikel in einer Zeitung den ganzen Tag über oder auch noch einen Tag später lesen. Und wer die Ausgabe gerade verpasst hat, kommt ganz schnell an eine bereits nicht mehr aktuelle Tageszeitungsausgabe von gestern oder vorgestern heran (z.B. bei der Zeitung selbst oder im Online-Archiv). Ähnliches gilt für die Wochenmagazine.
Fernsehbeiträge laufen dann, wenn der Bericht gerade auf Sendung ist. Danach ist dann alles vorbei. Nur in einigen Fällen kann man die Filmberichte der politischen Magazine auf den verschiedenen Mediatheken oder deren Homepages über einen längeren Zeitraum anschauen. Bei panorama (NDR) geht das. Die anderen Politmagazine halten ihre Beiträge allenfalls 12 Monate vor, bevor sie dann in der Versenkung verschwinden. Und einen 6- bis 8-Minutenbeitrag als VHS-Kassette oder DVD bei einem Fernsehsender nachträglich zu ordern, kostet nicht nur Zeit (Anrufe, schriftliche Bestellung, Vorkasse usw.), sondern auch Geld (bei ARD und ZDF ca. 30 € aufwärts, bei den Privaten ab 120 € aufwärts).

Was die nachhaltige Wirkung informationsbasierter Berichte anbelangt, so haben die Printmedien in diesem Bereich einen ganz klaren und vom Fernsehen kaum einzuholenden Vorteil. Dafür ist die effektive Reichweite in der Regel beim Fernsehen größer, also die Anzahl der Menschen, die einen Fernsehbeitrag auch tatsächlich sehen (und nicht nur ein gedrucktes Magazin in die Hand nehmen und darin blättern).

Wenn Sie über in Frage kommende Medien nachdenken, berücksichtigen Sie auch, dass die Redaktionen einen nicht unbeträchtlichen Teil ihrer Informationen aus der Quelle diverser Nachrichtenagenturen schöpfen. Diese wiederum unterhalten ein engmaschiges Netz an Korrespondenten, Zulieferern und freien Journalisten, das flächendeckend über das ganze Land verteilt ist. Nachrichtenagenturen besorgen zudem Informationen aus so gut wie allen Bereichen des Lebens und kommen deshalb ebenfalls als potenzielle Ansprechpartner in Frage. Die Anschriften finden Sie unter An wen man sich wenden kann.

Breite Öffentlichkeit vs. eingegrenzte Zielgruppe

Wenn die Informationen über Probleme, Missstände, Risiken oder drohende Gefahren nur für Teile bestimmter Öffentlichkeitsschichten oder nur die Fachöffentlichkeit von Bedeutung ist, kann es auch Sinn machen, ein Medium auszusuchen, das eben diese spezifischen Teilöffentlichkeiten erreicht. Viele Themen mit hohem wirtschaftichen Bezug beispielsweise stehen bevorzugt in Wirtschaftsblättern. Themen, die auf Probleme im Sportbereich abstellen, finden sich in ganz anderen Magazinen wieder, usw.

In solchen Fällen ist zwar die Anzahl der Leser insgesamt geringer (etwa im Vergleich zum SPIEGEL, der von knapp einer Millionen Menschen gekauft und von einigen mehr gelesen wird), dafür ist aber meist der Wirkungsgrad größer, weil man die ‚richtige' Zielgruppe anspricht. In jedem Fall empfiehlt es sich, ausgiebig darüber nachzudenken:

  • Über welches Medium kann man diese erreichen?

Suche nach einem journalistischen Profi

Egal, ob Sie immer noch über die Wahl eines Mediums nachdenken: Sie sollten sich auch Gedanken darüber machen, wie Sie an einen ausgekochten Profi geraten.

Meist läuft die Suche nach einem passenden Medium und einem Profi parallel. Denn schon die Art der Informationen oder Hinweise, die man weitergeben und bekannt machen möchte, kann den dafür in Frage kommenden Kreis der Medien bereits einengen. Und auch nicht immer hat man die Möglichkeit, unter mehreren Medien und/oder Journalisten, mit denen man zusammenarbeiten möchte, wirklich auswählen zu können. Manchmal ist es bereits der Zeitdruck, der längeres Überlegen oder sonstige Vorbereitungsschritte ausschließt.

Beobachten Sie vergleichbare Geschichten in den Medien. Achten Sie darauf, welche Journalisten diese Geschichten machen, von denen Sie denken, dass sie Ihrem Anliegen und/oder Ihrer spezifischen Situation am nähesten kommen. Versuchen Sie sich vorzustellen, auf welche Weise die Journalisten ihre Geschichten machen konnten bzw. wie die Journalisten - soweit Sie selber dies abschätzen können - wohl mit ihren Quellen und Informanten umgegangen sind. Fragen Sie sich - testweise - nach jedem Satz, den Sie lesen, wie Sie selbst wohl selber diese Informationen hätten zusammentragen können. Sie entwickeln dann recht schnell ein Gespür dafür, wie sensibel solche Geschichten und ihre sie tragenden Informationen sein können, und wie wichtig es ist, damit ebenso sensibel umzugehen.
Wenn Sie der Meinung sind, Sie hätten jemanden gefunden, der diesen Ansprüchen genügt, dann ist es soweit: Sie müssen den ersten Kontakt herstellen.

Der erste Kontakt

Es gibt mehrere Möglichkeiten: Telefon, brieflich bzw. E-mail oder auch anonym. E-mail-Adressen können Sie über die Telefonzentrale erfragen oder es gibt eine allgemeine E-mail-Anschrift für die gesamte Redaktion. Im letzten Fall schreiben Sie, für wen genau diese Nachricht gedacht ist.

Was man macht, hängt von mehreren Dingen ab:

  • den Arbeitsbedingungen, denen Journalisten, und damit auch Ihr Ansprechpartner, unterliegen
  • vom Umfang der Informationen, die man vermitteln möchte und dem absehbaren Zeitaufwand, der notwendig ist, die Geschichte, die sich hinter Ihren Hinweisen auf Probleme, Missstände und Gefahren steckt, einem stressgeplagten Journalisten zu erklären
  • ob Sie als Informationsgeber dem Journalisten gegenüber in Erscheinung treten oder völlig anonym bleiben möchten.

Die Arbeitssituation

in der sich Ihr potenzielles ‚Gegenüber' befindet:

Journalisten stehen permanent unter enormem Zeitdruck (viele Geschichten gleichzeitig, Redaktionsschluss usw.). Hektik und Stress sind normale journalistische Berufsbegleiter. Gehen Sie also immer davon aus, dass Journalisten eher ein wenig ungeduldig sind und selten völlig entspannt zuhören können, jedenfalls nicht stundenlang am Telefon. Natürlich nehmen sich journalistische Profis Zeit, aber nur dann, wenn sie diese auch haben. Beim SPIEGEL oder bei Focus am Donnerstag oder gar freitags anzurufen, ist die ungünstigste Zeit, die man sich nur denken kann, denn da ist "Produktion" - am Freitag endet der Redaktionsschluss und das bedeutet Stress in Reinkultur. Ähnliches gilt für eine Tageszeitung: morgens ist immer besser als nachmittags und nachmittags ist immer besser als spätnachmittags, weil irgendwann arbeitet auch ein Lokalredakteur nur noch auf die (allerletzte) ‚deadline' zu. Wenn Sie bei Panorama oder Report anrufen, dann vergewissern Sie sich über Ihre Rundfunkzeitung, dass sich dort nicht gerade Gleiches abspielt - Sie würden sich, wenn Sie anrufen, nur selbst enttäuschen.

Ein erster Anruf, zeitlich richtig plaziert, dient vor allem dazu, einen ersten Kontakt herzustellen, das Thema bzw. Problem kurz vorzustellen und einen Termin für ein weiteres Gespräch zu vereinbaren. Es sei denn, man möchte nur einige Hinweise am Telefon loswerden.

Wenn die

Informationen umfangreich

sind und die Geschichte, die aus Ihren Informationen besteht, verwickelt oder kompliziert ist, kann es Sinn machen, einen Anruf auch schriftlich, etwa brieflich oder in einer E-mail anzukündigen, und gleichzeitig in dieser allerersten Kontaktanbahnung einige wenige, aber typische Stichworte aufzulisten, die in Ihrer Geschichte eine Rolle spielen. Eine solche inhaltliche Skizze sollte wirklich nur ganz kurz sein. Auf keinen Fall mehr als eine Seite. Und es sollte wirklich nur das allerwichtigste drinstehen, also das, was Sie eben auf nur einer einzigen Seite - knapp - beschreiben können.

Auf dieser Seite sollten Sie die wichtigsten Ereignisse zusammenstellen. Und keinerlei Bewertung vornehmen. Nur die nüchternen Fakten, konkret: die wichtigsten Vorfälle mit den Namen der Beteiligten und das jeweilige Datum.

Eine solche Skizze, in der natürlich die brisanten Begriffe oder Namen von Personen, um die es geht, enthalten sein sollten, dient einzig dem Zweck, dem Journalisten, der Sie noch nicht kennt, zu signalisieren, was sich (alles) in Ihrer Geschichte verbirgt bzw. dass Ihre Informationen für ihn eigentlich von Interesse sein müssten. Ihr erster schriftlicher Kontakt dient soszusagen als "Appetizer". 
Sie könnten in einem solchen Fall auch umgekehrt verfahren: Sie bitten den Journalisten, Sie zurückzurufen - etwa in mehreren Zeitfenstern, die Sie definieren (z.B.: "Immer nur abends zwischen 19 und 20 Uhr"): Sie bitten um Rückruf, beispielsweise bis spätestens in einer Woche, falls er an Ihren Informationen interessiert sein sollte. Sie haben dann gleichzeitig einen Test dafür, ob Sie das ‚richtige' Medium und/oder den ‚richtigen' Journalisten ausgesucht haben.

Setzen Sie eine Frist - z.B. von 7 Tagen, innerhalb derer Sie um ein (erstes) Feedback bitten. Erfolgt keinerlei Reaktion, dann erinnern Sie an Ihre Mail nach 10 Tagen. Kommt dann auch nichts, dann sollten Sie diesen Kontakt vergessen und es anderswo probieren.

Kommunikationsmittel: nie Fax und wenn Telefon, dann richtig

Mit einer schriftlichen Erstkontaktaufnahme geben Sie immer erste (Teil-)Informationen preis. Bei einer E-mail geben Sie Ihre eigene E-mail-Anschrift bekannt. Wenn Sie einen Brief mit selbst verfasstem Text verschicken, hinterlassen Sie zumindest Ihren persönlichen Schreib- und Schriftstil. Das alles ist bei der Kontaktaufnahme mit Medien im Prinzip kein Problem. Sie sollten nur darauf achten, dass dieser Erstkontakt so zustande kommt, wie Sie es tatsächlich auch wollen. Deswegen können Sie solche Kommunikationsmittel nutzen, aber auch genausogut das Telefon. Oder Sie setzen auf den persönlichen Kontakt.

Fax

Von einem wollen wir Ihnen aber unbedingt abraten: vom Faxgerät!
Faxen kann man nicht besonders gut kontrollieren. Wenn sich beispielsweise unbemerkt ein Zahlendreher einstellt (den Sie im Zweifel nicht bemerken), kommt Ihr Brief nicht da an, wo er soll. Und wenn Sie Pech haben, kommt er da an, wo er auf keinen Fall hinsoll. Viele Informationen sind auf diese Weise bereits in ‚falsche' Hände geraten.

Wenn Sie beim Telefonieren an die (völlig) falsche Adresse geraten, merken Sie es und können auflegen - selbst wenn Sie und der Empfänger eine ISDN-Leitung nutzen: bei "falsch verbunden" wird sich niemand eine Telefonnummer auf dem Display notieren. Und beim E-mail müssen Sie im Zweifel eine empfängernamensnahe Bezeichnung oder Abkürzung eingeben, so dass das Risiko eines (völlig) falschen Fehlläufers praktisch gleich Null ist.

Es gibt aber noch ein Problem beim Faxen: Die Kennung. Sie können nicht ausschließen, dass beim Empfänger das, was dort ausgedruckt aus dem Faxgerät läuft, mit Ihrer absendenden Telefonnummer versehen ist. Wenn der Empfänger vergisst, diese Faxkennung gleich abzuschneiden oder sonstwie unkenntlich zu machen, wird die Absenderkennung bei jeder Kopie, die davon angefertigt wird, weiter verbreitet. Und eben dies vollzieht sich dann außerhalb Ihres Kontrollbereichs

Telefon

Man kann nie ausschließen, dass man - von wem auch immer - beim Telefonieren abgehört wird oder dass sich offizielle Ermittlungsbehörden bei den Telekommunikations-Dienstleistern (also Telekom, vodafone, O2, usw.) die so genannten Telekommunikations-Verbindungsdaten aushändigen lassen. Letzteres betrifft alle Informationen, die die Namen und Anschriften der Telefonierenden, die Uhrzeit, die Länge des Gespräches und bei Handys auch den jeweiligen Standort der Gesprächsteilnehmer (Einzugsbereich der Mobilfunk-Antennen) erfassen. Im ersten Fall wissen die Abhörenden, was genau gesprochen wird, im letzteren Fall, wer mit wem gesprochen hat und wo er sich gerade befindet.

Um dieses mögliche Überwachungsproblem ganz auszuschließen, gibt es nur eine Möglichkeit: Man muss sich den technischen und organisatorischen Überwachungsmöglichkeiten anderer entziehen.

Rechtlich gesehen ist da meistens nichts zu machen, und wenn doch, dann erst nachträglich, und dies ist regelmäßig zu spät.

Technisch und organisatorisch betrachtet ist das Problem sehr viel einfacher zu lösen, denn auch die Ermittlungsbehörden können nur im Rahmen ihrer technischen Möglichkeiten (auch wenn diese auf dem neuesten Stand der Technik sind) und vor allem ihrer organisatorischen Kapazitäten agieren: Alle Telefonate deutschlandweit abzuhören und vor allem auf gesuchte Informationen hin auszuwerten ist schlicht und einfach nicht möglich. Bedeutet: Man muss jene telefonische Wege nutzen, die in diesen nicht-möglichen Bereich fallen.

Dazu zählen im Bereich des Festnetzes beispielsweise so genannte öffentliche Telefonzellen bzw. Telefone. Bei sensiblen Telefonaten sollten Sie genau diese nutzen. Denn Ermittlungsbehörden können nur jene Telefonnummern überwachen lassen, die sie a) kennen bzw. recherchieren und die sie dann b) auch kapazitätsmäßig kontrollieren können. Bei öffentlichen Telefonen funktioniert beides nicht. 


Hinweis bei dieser Gelegenheit: Benutzen Sie auf keinen Fall das firmen- oder behördeneigene Telefon! Denn in vielen Fällen werden Anrufe bzw. die so genannten Verbindungsdaten aufgezeichnet und gespeichert. Dann kann man einfach rekonstruieren, wer wann mit wem telefoniert hat.

Bei Handys:

  • Wenn der Journalist ein zweites Handy besitzt, dessen Vertrag nicht auf seinen Namen oder seiner Redaktion ausgestellt ist, sondern das beispielsweise von seinem Vetter in einer ganz anderen Stadt gekauft wurde und auch auf dessen Rechnung läuft (die allerdings der Journalist übernimmt ohne namentlich dabei aufzutauchen), dann ist es selbst für Ermittlungsbehörden - technisch-organisatorisch gesehen - unmöglich, dieses Handy auszumachen. Folglich sind solche Gespräche ebenfalls sicher. Vor allem dann, wenn dieses Handy a) nur selten und b) nur für die sensiblen Einsätze benutzt wird. Letzteres ist wichtig, damit der Journalist Überwachungsstellen nicht dadurch auffällt, dass er auf seinem regulären Telefon nur selten telefoniert und damit indirekt Hinweise gibt, dass er ein weiteres Handy in Nutzung hat.
  • Trick zwei ist noch einfacher: Man telefoniert mit einem anonymen prepaid-Handy und wechselt dieses sehr häufig. Dieses praktizieren beispielsweise Kriminelle, Drogenbosse und sonstige Gauner mit meist großem Erfolg, weshalb Staatsanwaltschaft und Polizei hier nur mit dem so genannten Großen Lauschangriff weiterkommen (Abhören mit feinstem Gerät), was aber nur beim Verdacht auf schwerwiegende Straftaten erlaubt ist (geregelt im § 100 a der Strafprozessordnung) und von einem Richter genehmigt werden muss. Dieser Große Lauschangriff wird im übrigen vom Bundesverfassungsgericht immer weiter eingeschränkt und ist für den Fall der Presse sogar ausdrücklich verboten (§§ 100c, 100d der StPO).

E-Mail-Kommunikation:

Hier gilt Ähnliches wie beim Telefonieren. Nutzen Sie US-amerikanische Provider oder Dienste, unterliegen Sie quasi ganz automatisch jenen Abhörmethoden, von denen wir seit Edward SNOWDEN wissen, dass sie flächendeckend angewendet werden. Andererseits: Nicht jede Information ist für bestimmte (Abschöpf)Dienste von Interesse. Dies würde schon kapazitätsmäßig nicht funktionieren. Hier muss man abwägen.

Viel wichtiger ist die Frage, welche E-Mail-Adresse man als Absender nutzt bzw. über welchen Account die Kommunikation laufen soll. Auf keinen Fall die Dienstadresse nutzen. Wer es etwas sicherer haben will, kann sich - für bestimmte Zeit und spezifische Zwecke - eine vorübergehene E-Mail-Adresse einrichten. Etwa bei gmx.de oder web.de (deutsche Provider!). Dies ist einfacher als man denkt. Gegebenenfalls kann man alles auch über eine dritte Person laufen lassen (z.B. zu Anfang), wenn man eine solche findet, die sich dazu bereit erklärt. Und der man natürlich vertrauen können muss.

Für Ihre eigene Sicherheit:

  1. Fragen Sie Ihren journalistischen Gesprächspartner bereits in einem sehr frühen Stadium danach, wie er die technische und organisatorische Sicherheit Ihrer telefonisch oder digitalen Kommunikation zu arrangieren gedenkt.
  2. Lassen Sie ihn dazu die konkreten Vorschläge machen - er soll Ihnen gegenüber erklären, wie er sich das denkt. Sie können dann selbst entscheiden, ob das für Sie selbst ‚sicher' genug ist.

Wenn Ihr Gesprächspartner dazu keine Ideen oder kein konkretes Wissen hat, ist er kein Profi für solche Dinge. Wenn Sie sich auf den Informationsstand eines investigativ arbeitenden Journalisten bringen wollen und verstehen möchten, wie dieser denkt und arbeitet, sei Ihnen das Buch des Initiators dieser Website empfohlen: Johannes Ludwig: Investigatives Recherchieren, 3. Aufl., Konstanz: UVK-Verlag. Zu diesem Lehrbuch gibt es auch eine Website, die weitere Tipps und Fallbeispiele enthält: www.investigativ.org (Kapitel 6) gibt Hinweise und Tipps zu 'Hot Docs', sensiblen Daten und (ge)sicher(t)e Kommunikation. 

Dort gibt es auch ein spezielles Kapitel eines IT-Experten und berufsmäßigen Datenschützers:

IT & IT-Sicherheit. Ausführliche Ergänzungen von Michael G. SCHMIDT

Je mehr Sie über diese Dinge Bescheid wissen und die spezifische Usancen von Journalisten kennen, umso besser können Sie Ihr potenzielles 'Gegenüber' einschätzen.

Persönlich - pseudonym - anonym

Anonyme Kontaktaufnahmen gibt es natürlich auch. Der Kontakt ist dann allerdings einseitig. Je nachdem, ob und welche Optionen man für einen zweiten Kontakt zulässt, ergibt sich für den Journalisten die Möglichkeit nachzufragen: Dinge, die er nicht versteht, oder Nachfragen, die sich nach Lektüre einer Inhaltsskizze oder von sonstigen Unterlagen ergeben. Da Journalisten eigene Regeln der Prüfung und Verifizierung von Informationen und Materialen praktizieren, und dies aus Gründen der Vorsicht und der journalistischen Sorgfaltspflicht auch tun müssen, sind anonyme Zusendungen ohne die Möglichkeit von Rückfragen oder ohne, dass der Absender ein zweites Mal anruft, immer recht mißlich. Es sei denn, die zugesandten Unterlagen sind so aufschlußreich und selbsterklärend, dass der Journalist damit absehbar zurecht kommen müsste. In jedem Fall stellt die Option mit Feedback immer die bessere und effektivere Variante dar. Da den Informanten seitens der kontaktierten Medien automatisch der Informantenschutz zukommt, sollte dies kein Problem sein. Wenn Sie sich zu Beginn (noch) nicht vollständig zu erkennen geben möchten, wählen Sie ein Pseudonym ("Mein Name ist Müller!").

Das (erste) Gespräch und erste Abmachungen

Das Verhältnis zwischen Whistleblower/Informant und Medienvertreter ist im Zweifel immer ein sehr individuelles Verhältnis, das auf gegenseitigem Vertrauen basieren muß. Alles andere funktioniert mehr schlecht als recht. Entscheidend ist, dass sich jeder auf die Abmachungen mit dem anderen verlassen kann, und dies hundertprozentig. 

Natürlich hängt die Qualität einer solchen ‚geheimen' und deswegen sehr individuellen Beziehung von der Art bzw. Brisanz der Informationen ab und von dem Risiko, das der Informant eingeht. ‚Kleine' und schnell vermittelbare Informationen erfordern weniger Organisationsaufwand und weniger konkrete Absprachen als tiefgehender und umfangreicher Informationsaustausch. 
Egal, was Sache ist: Sie sollten auf alle Fälle bereits beim ersten ausführlichen Gespräch konkrete Konditionen ausmachen, was

  1. die Funktion Ihrer eigenen Person betrifft und
  2. welche Qualität Ihr erstes Gespräch haben soll.

Was Ihre Funktion anbelangt, so sind Sie entweder nur Tipp- oder Hinweisgeber und überlassen dem Journalisten alles weitere. Dies wäre das eine Extrem. Oder aber, ganz andere Alternative: Sie haben mehr - an Informationen und/oder Unterlagen - und sind auch bereit, im Zweifel mittels einer schriftlichen "Eidesstattlichen Versicherung" für die Echtheit Ihrer Materialien und Informationen zu bürgen. Im Zweifel ginge eine solche Erklärung, wenn es nach Veröffentlichung zu einer Klage der Gegenseite kommen sollte, in die Prozessakten ein. Der gegnerische Anwalt kann sich dann leicht ein Bild von eben dieser Eidesstattlichen Erklärung und Ihres Unterzeichners machen, und diese Information an seinen Auftraggeber weiterreichen, der im Zweifel Ihr erklärter Gegner ist.

Zwischen diesen beiden extremen Fällen gibt es mehrere Möglichkeiten, sozusagen dazwischen, wie Sie sich ‚einbringen' können bzw. wollen. Und eben darüber sollten Sie von vorneherein mit dem von Ihnen ausgesuchten Journalisten sprechen.

Folgende typische Situationen lassen sich arrangieren:

  • Fall 1: Sie Sie treten bei Ihrer Geschichte oder den Informationen, die Sie einer bereits laufenden Geschichte hinzugeben, persönlich auf - bei Printmedien also etwa mit Namen und Zitaten; beim Fernsehen mit Namen, Bild und O-Ton (Interview). Sie geben sich also als Informant zu erkennen.
  • Fall 2: Sie bleiben im Hintergrund, und nur der Journalist kennt Ihren Namen, Ihre Telefonnummer, Ihre berufliche Position und Ihr Anliegen. In einer solchen Situation gibt es mehrere Varianten, die Sie ebenfalls abklären müssen. Das Gespräch ist zunächst aber ein Hintergrundgespräch und dient dem Informationsaustausch bzw. der Informations- und/oder Unterlagenübergabe. Je nachdem, was Sie ausmachen, können die Informationen und/oder Unterlagen in dieser oder jener Form verwendet werden.

    Und je nachdem, was Sie vereinbaren, werden Sie namentlich zwar nicht genannt, aber möglicherweise als Quelle grob, jedoch nicht genau eingrenzbar, hinsichtlich Ihrer Position und beruflichen Funktion beschrieben (z.B. "ein Chemieingenieur aus einem pharmazeutischen Großbetrieb in leitender Stellung"). Wie weit Sie dabei gehen wollen oder können, wird davon abhängen, inwieweit man mit Ihren Informationen und/oder Unterlagen, wenn sie veröffentlicht sind, Rückschlüsse auf deren Quelle ziehen kann. Das können Sie am allerbesten einschätzen. Ein journalistischer Profi wird Sie aber dabei beraten können. Er darf und wird sich auch seine eigene Gedanken hinsichtlich Alternativlösungen machen. Die vorsichtigste Variante wäre dann
  • Fall 3: Es handelt sich ebenfalls um ein Hintergrundgespräch, aber Sie tauchen in der späteren Verwertung Ihrer Informationen überhaupt nicht auf, auch nicht als anonyme Quelle - egal, was Sie an Informationen haben und geben.

    Es gibt neben diesen 3 Varianten einen weiteren, einen vierten Fall, und auch diese Situation sollten Sie berücksichtigen, wenngleich dies für den Journalisten die ungünstigste Variante darstellt:

  • Fall 4: Oftmals ist es so - und dies ist ganz wichtig für das Verständnis des journalistischen Recherche- und Arbeitsprozesses - , dass ein Journalist auch mit Informationen und/oder Unterlagen arbeiten kann, ohne sie in irgendeiner Form zu verwenden. Er kann, wenn er weiß, was Sache ist, versuchen, eben diese Sache auf ganz andere Art und Weise zu recherchieren bzw. zu verifizieren. Nur muß er eben wissen, wonach er suchen soll bzw. muß.

    Beispiel: Der Informant hat Unterlagen, dass eine Firma entgegen der Vorschriften Sondermüll a) nicht richtig deklariert und b) diese giftigen Stoffe dann auf einer normalen Mülldeponie entsorgt. Die Unterlagen des Informanten belegen dies. Der Journalist kann nun, ohne die Dokumente direkt zu verwerten, beispielsweise eigene Proben auf der Deponie entnehmen und in einem Labor untersuchen und siehe da: die Informationen des Hinweisgebers stimmen. Die Geschichte kommt ins Rollen, ohne dass der Informant in irgendeiner Form dabei aufgetaucht wäre. 

    Aus diesem Grund sind auch direkt nicht verwendbare Informationen oder Materialien nützliche Hilfen: Sie verbreitern entweder die Ausgangsbasis für weitere Recherchen oder engen die Suche zielgerichteter ein. Allerdings ist dies von allen die arbeitsaufwändigste Variante für den Journalisten. Und ob dies funktioniert, hängt von dessen Interesse, Zeitbudget und anderen Kapazitäten ab. In der Regel sind solche Arrangements auf Langfristigkeit angelegt, wenn sich ein Medienvertreter nach und nach in eine neue oder spezifische Materien einarbeiten soll, kann oder will.

Abhängig von dem, was a) Sie selbst wollen und b) abhängig davon, was der Journalist gerne von Ihnen möchte, und c) abhängig davon, wie Sie sich dann beide arrangieren, hat die

Qualität des (ersten) Gespräches

möglicherweise nur vorläufigen Arbeitscharakter: Alles, was Sie besprechen, spielt sich "off records" ab, d.h. der Journalist kann nichts (oder noch nichts) an Informationen und/oder Unterlagen verwenden - jedenfalls solange nicht, wie Sie ihr "ok" nicht dazu gegeben haben. Oder aber Sie tauschen bereits bei diesem ersten Gespräch zitier- und/oder verwendbare Informationen und/oder Unterlagen aus, weil sich bereits bei dieser Gelegenheit mehr oder weniger alles besprechen und (vorläufig endgültig) klären lässt.

Egal wie: Sie sollten von Anfang an die Situation eindeutig klären: 1) Ihre Rolle und 2) die Qualität dieses Gespräches. Das geht am besten, indem Sie beim Zusammentreffen ohne großes Hin & Her und ohne erst ein Bierchen zu trinken (und dann ein nächstes usw.) als erstes das Wort ergreifen und deutlich sagen, was Sache ist, und ob der Journalist damit auch leben kann. Er wird können!

Örtlichkeiten

Der bis Mai 2005 unbekannte Informant "Deep Throat", mit dessen erst vagen Hinweisen und später dann doch konkreteren Tipps und Informationen die Watergate-Affäre im Jahr 1972 ins Rollen gekommen war, hatte als Treffpunkt mit dem Reporter der Washington Post immer eine Tiefgarage in einem Außenbezirk der US-amerikanischen Hauptstadt ausgesucht. Und dies nachts bzw. mogens zwischen 1 und 3 Uhr. Der Journalist sollte auf seinem Hinweg sogar mindestens einmal sowohl das Taxi als auch dessen Fahrtrichtung ändern, um etwaige Verfolger abzuschütteln.

So dramatisch muß man es nicht machen, jedenfalls nicht immer. Trotzdem sind einige Vorsorgemaßnahmen auch in dieser Hinsicht durchaus angebracht, denn das Leben lebt auch von Zufällen bzw. im schlechtesten Fall von ‚dummen Zufällen'.

Dass man sich mit einem Journalisten nicht am Arbeitsplatz in der eigenen Firma trifft, über die man Informationen weitergeben möchte, bedarf keiner Erwähnung. Andererseits ist der Umstand, dass man bei anderen Örtlichkeiten eben doch mit einem Zufall konfrontiert wird, nie ganz auszuschließen. Für einen solchen Fall der Fälle sollten Sie für Ihren Treffpunkt solche Orte wählen, die deswegen völlig unverdächtig sind, weil sich jemand, der Sie dort mit irgendjemand anderem sieht, keinerlei Gedanken darüber macht. Wenn Sie beispielsweise häufiger nach Ihren Einkäufen in dem Restaurant eines Kaufhauses essen oder einen Kaffee trinken gehen, wählen Sie diesen Ort. Wenn Ihre Arbeitskollegen, die Sie dabei beobachten könnten, sogar wissen, dass Sie das öfters machen, umso besser. Niemand schöpft Verdacht. Genausogut können Sie das in einem Bahnhofsrestaurant oder einer Autobahnraststätte in Ihrer näheren Umgebung machen, wenn Sie den Termin nicht in Ihrer Wohnung arrangieren oder wenn Sie nicht gleich ins Büro des Journalisten gehen wollen. Egal, was Sie machen: Achten Sie darauf, dass es so normal wie möglich wirkt.

Oft wird Ihnen der Journalist einen Vorschlag machen (z.B. ein Hotel, Hotelrestaurant), der um Ihre Probleme weiß. Und eigentlich sollte er Sie dann fragen, ob Sie mit dem, was er Ihnen an Treffpunkten vorschlägt, einverstanden sein können. Dies wäre gleichzeitig ein erster Test, wie ernst der Journalist Ihre Situation und Ihr Risiko nimmt.

Wer bezahlt im Restaurant die Rechnung?

Wenn Sie auf Nummer sicher gehen wollen, ist die Antwort eindeutig: Sie selbst. 

Das Problem besteht nämlich darin, dass auch ein Journalist oder ein Medienunternehmen "Bewirtungskosten" nur dann absetzen kann, wenn eine offizielle Rechnung darüber existiert, und auf solchen Belegen muss dann auch - für Zwecke der steuerlichen Nachprüfbarkeit - der Name der "bewirteten Person" stehen. Geht eine solche Rechnung noch durch andere Hände (Buchhaltung, Betriebsprüfer des Finanzamts), dann steht im schlechtesten Fall unter "bewirteter Person" nicht der allgemeine Hinweis "Informant" oder etwas ähnliches, sondern ein realer Name. Genau das kann nicht in Ihrem Interesse sein.

Nur wenn Sie das absolut sichere Gefühl haben können, mit Profis zu sprechen, können Sie davon ausgehen, dass solche Unvorsichtigkeiten nicht passieren. Journalisten, die von Medien kommen oder aus Redaktionen stammen, die regelmäßig mit Hilfe von Informanten brisante Informationen an die Öffentlichkeit bringen, können Sie vertrauen. Von solchen Profis können Sie sich auch unbesorgt einladen lassen.

Anders verhält es sich in solchen Situationen, in denen Sie sich nicht absolut sicher sind, dass auf der Spesenabrechnung Ihr Name (nicht) steht. Nicht alle Tageszeitungsjournalisten haben mit solchen Dingen Erfahrung und nicht in allen Verlagen oder Sendern bzw. deren Buchhaltungsabteilungen werden solche Belege entsprechend behandelt, dass sich aus Ihnen keinerlei Rückschlüsse auf die "bewirteten Personen" ziehen lassen. Deshalb gilt auch hier: Etwas mehr Vorsicht ist immer besser als etwas weniger Vorsicht. Und so hoch kann die Rechnung eigentlich nicht werden, denn Sie treffen sich nicht zum gemütlichen ‚Tafeln', sondern zum ‚Arbeiten'.

Tipps für den Informationsaustausch im Gespräch

Wenn es zu einem solchen Treffen kommt und Sie einen Journalisten von Ihrem Anliegen, also der Wichtigkeit Ihrer Informationen oder der Dramatik der Missstände überzeugen wollen können, dann ist es meist die effektivste Art, wenn Sie folgende Punkte berücksichtigen:

  • Bevor Sie Ihre ganze Geschichte im Detail erzählen, fertigen Sie eine schriftliche Kurzfassung an. Und zwar eine möglichst ganz kurze. Versuchen Sie dies dadurch zu erreichen, dass Sie vor dem Gespräch (möglichst mehrere Tage vorher) auf einem einzigen DIN A4-Blatt die wichtigsten Stichworte und Namen (von Personen oder Firmen) notieren. Das sind dann jene Stichworte, die Sie auf keinen Fall weglassen wollen. Anders ist es, wenn Sie, wie vorhin beschrieben, eine solche Skizze dem Redakteur bereits vorher haben zukommen lassen.
  • Gehen Sie davon aus, dass ein Journalist sofort sehr gezielte Nachfragen stellen wird, um sich selber einen Eindruck zu verschaffen und um etwaige Unklarheiten zu klären, die er nicht verstanden hat. Dies ist für ihn ebenso umso effektiver, je kürzer Sie Ihre Story halten.
  • Ausgesprochen hilfreich - für Sie und den Journalisten - ist es, wenn Sie zu Ihrem einseitigen Stichwortzettel einen Zeitplan machen, in dem die wichtigsten Ereignisse und Vorgänge nochmals chronologisch und übersichtlich aufgelistet sind. Das hilft erstens Ihnen (auch für Sie wird alles etwas prägnanter und damit kürzer), und zweitens dem Journalisten, der anhand der zeitlichen Ereignisse ganz schnell die Geschichte und ihre inhaltlichen Verkettungen begreifen kann. Wie eine solche Zeitleiste aussehen kann, können Sie über diesen Link erfahren. Und hier gibt es eine Vorlage im Word-Format, die man zum Ausfüllen benutzen kann.
  • Wundern Sie sich wirklich nicht: Weil für einen Journalisten Zeit die kostbarste Ressource darstellt, wird er Sie möglicherweise ständig mit Nachfragen unterbrechen. Nehmen Sie dies nicht als Zeichen von Desinteresse oder mangelnder Glaubwürdigkeit. Es dient vor allem dazu, sich schneller einen zusammenhängenden Überblick zu verschaffen.
  • Übertreiben Sie nicht, wenn Sie Ihre Fakten präsentieren. Ein Journalist, der von Berufs wegen ständig mit Fakten und merkwürdigen Dingen zu tun hat und deswegen schnell beurteilen kann, was man wie unter welchen Voraussetzungen veröffentlichen kann, wird Ihre ganz schnell auf ihre Bedeutung hin einschätzen, aber auch ganz schnell merken, wenn etwas übertrieben dargestellt wird. Übertreibungen und unvollständige oder nicht korrekte Fakten nagen an Ihrer eigenen Glaubwürdigkeit - nicht gut für Ihr Anliegen.
  • Wenn Sie im Zusammenhang mit Ihrer Geschichte und Ihrem Anliegen selbst (mehrfach) schlechte Erfahrungen gemacht haben oder Ihnen Ungerechtigkeit widerfahren ist, oder wenn man Sie schlecht und unfair behandelt hat und Sie eigentlich allen Grund haben, beleidigt zu sein oder sich nicht anständig behandelt fühlen: Halten Sie Ihre persönlichen Gefühle ersteinmal zurück und konzentrieren Sie sich ganz auf die einzelnen Vorfälle, die Sie vermitteln wollen. Der Journalist muss zuerst die Tatsachen kennen. Nach Ihrer persönlichen Einschätzung und nach Ihrem persönlichen Befinden usw. wird er sich ganz automatisch erkundigen, und zwar danach. Er muss vorher einfach um die Fakten wissen, bevor er nachvollziehen kann, wie Sie sich dabei fühlen und wie es Ihnen dabei ergangen sein muß.
  • Wenn Sie ein Fachmann auf Ihrem Gebiet sind und sich dabei einer spezifischen Fachsprache bedienen, wenn Ihnen außerdem alle Dinge Ihres Gebietes völlig klar und zusammenhängend erscheinen, dann denken Sie bitte daran, dass Ihr Gegenüber nicht Fachmann ist. Berücksichtigen Sie einfach, dass Sie ganz viele Dinge erklären müssen, die der Journalist erst a) sachlich begreifen, dann b) inhaltlich nachvollziehen muss, um c) dann wirklich einschätzen zu können, wie groß das Problem, die Missstände oder die potenziellen Gefahren sind, von denen Sie ihn überzeugen wollen. Benutzen Sie daher für schwierige Erklärungssituationen einfache Vergleiche. Umso schneller wird der Journalist begreifen, denn schnell zu begreifen und Rückschlüsse aus Fakten zu ziehen, ist sein tägliches Handwerk.

Dokumente und sonstige Unterlagen

Wenn Sie Dokumente oder sonstige Unterlagen dabei haben, die Ihre Geschichte belegen sollen, überlegen Sie sich vorher (!), wie Sie damit umgehen wollen. Entweder Sie nehmen diese gleich mit, dann wird der Journalist sehr darauf dringen, diese auch gleich mitnehmen zu können. Das ist aus seiner Sicht und Arbeitsweise absolut verständlich. Wenn Sie das Ganze etwas vorsichtiger, sprich langsamer angehen wollen, lassen Sie diese Unterlagen (zunächst) zuhause bzw. an einem absolut sicheren Ort. Erst später übergeben Sie diese Dinge, wenn Sie z.B. nach diesem ersten persönlichen Gespräch auch sicher sind, dass Sie mit diesem Journalisten und diesem Medium zusammenarbeiten wollen. Oder Sie bringen beim ersten Mal nur eine Kostprobe mit. Egal, wie Sie sich vorher entscheiden: Sprechen Sie mit Ihrem Gegenüber darüber und vereinbaren Sie klare Abmachungen.

Nicht minder wichtig sollten für Sie zwei weitere Dinge sein:

Unterlagen, die man irgendwo ‚herausgeholt' hat, und die wichtig sind und egal ob es um Papier oder digitale Dateien geht, sollte man auf alle Fälle einmal sicherheitskopieren - und zwar erst dann und dort, wenn und wo man aus der ‚Gefahrenzone' ist. Einen vollständigen Satz dieser Unterlagen oder Materialien (sofern möglich) sollten Sie zudem an einer völlig anderen Stelle sicherheitsdeponieren. Sicherheit - vor Verlust (Brand, Diebstahl oder was auch immer) ist das eine; die Sicherheit, zu wissen, was man genau weitergegeben hat, ist das andere. Letzteres kann manchmal nachträglich wichtig werden. Und wenn Sie beispielsweise Dokumente ein zweites Mal in einem Copy-Shop vervielfältigen, so achten Sie peinlich genau darauf, dass Sie die ‚Originale' nicht aus Versehen liegen lassen - wenn es sich um einen freundlichen und service-orientierten Kopierladen handelt, würde der nämlich die Papiere an jenen (zurück-)schicken, der dort im Briefbogen oder als Adressat oder sonstwie gekennzeichnet ist. Das könnte möglicherweise nicht in Ihrem Sinne sein.

Zweiter Aspekt: Dokumente und Unterlagen sind meistens immer mit irgendwelchen Zusätzen versehen: Eingangs- oder Tagebuchnummern; Kürzeln oder Notizen, die bedeuten sollen, wer alles davon Kenntnis bekommen soll oder Kenntnis bereits hat; Bemerkungen eines Zuständigen, was damit weiter zu geschehen habe; Empfehlungen oder sonstige Kommentare und so weiter und so fort. An solchen oft kryptischen Kürzeln, Nummern oder Ziffern kann man oft erkennen, wer a) überhaupt Zugang zu einem solchen Dokument hatte oder hätte haben können. Und wer alles dieses Dokument bereits in den Händen hatte. Und so weiter und so fort. Anders gesagt: Solche Kürzel, Nummern und Ziffern haben oft ‚verräterischen' Charakter. Ganz schlecht, wenn solche ‚herausgeschmuggelten' Unterlagen über irgendwelche Wege und/oder dummen Zufälle wieder dorthin gelangen, wo sie jemand vermissen könnte oder der an einer Weiterverbreitung absolut kein kein Interesse haben kann.

Aus diesem Grund sollten Sie sich genau überlegen, ob Sie - zunächst - in jenem Satz an kopierten Unterlagen, den Sie weitergeben wollen, solche Dinge nicht einfach ‚entfernen' und in Ihrem Original- bzw. Sicherheitssatz an Kopien alles belassen. Sprechen Sie mit dem Journalisten darüber, ob für ihn solche handschriftlichen oder sonstigen ‚Zutaten' auf den Unterlagen überhaupt wichtig sind. Und erst, wenn er Sie davon überzeugen kann, dass er damit auch absolut professionell umgehen kann, sollten Sie ihm einen Satz Kopien mit allen ‚Zutaten' aushändigen.

Aber dennoch: Behalten Sie selbst immer einen Satz an Sicherheitsunterlagen an einem sicheren Ort. Und der sollte so sicher sein, dass niemand darauf kommt, dass es ihn gibt. Am einfachsten ist es, wenn Sie das bei einem zuverlässigen Freund deponieren. Der muß erstens nicht wissen, warum er einen dicken Umschlag für Sie verwahren soll, und wenn es zweitens hart auf hart kommen sollte, würde auch kein Staatsanwalt einen richterlichen Durchsuchungsbeschluß für die Wohnung eines mit Ihnen befreundeten Menschen bekommen. Ein solcher Durchsuchungsbeschluß gilt immer nur für den, auf den er auch ausgestellt ist, was aber auch beinhalten kann, dass er auch gleich Ihre(n) Freundin/Freund oder Lebensgefährtin/Lebensgefährten und deren/dessen Wohnung miteinbezieht. Das sollten Sie auf jeden Fall berücksichtigen, und deshalb sollten dort auf keinen Fall solche Unterlagen schlummern.

Außerdem: ‚Entfernen' von Dingen auf Papier-Kopien bedeutet exakt folgendes: Schwärzen - mit Marker oder Ähnlichem - reicht nicht aus. Sie müssen richtig einschwärzen, am besten Ausschneiden, und dann nochmals fotokopieren. Erst auf diesem neuen Satz ist dann wirklich nichts mehr (für ‚Fachleute', die sich mit solchen Dingen wirklich auskennen) zu erkennen. Bei digitalen Unterlagen funktioniert "Schwärzen" nur, wenn Sie das mit einer geeigneten Software machen, bei es nach Schwärzung niemanden mehr möglich ist, das rückgängig zu machen. Die Software Acrobat Pro (Professionell!) verfügt über eine solche Funktion.

Wenn Ihnen der Journalist beim ersten (begehrlichen) Anblick Ihrer Dokumente und auf Ihre gezielte Frage hin, wie er denn damit umzugehen gedenke, auf all das, was Sie hier lesen, eingeht und Sie auf die selben oder auch ähnliche Probleme aufmerksam macht und deswegen mit Ihnen darüber auch spricht, dann können Sie davon ausgehen, dass es sich um einen Profi handelt. Dann können Sie auch wesentlich flexibler auf seine Wünsche eingehen. Bzw. Sie kommen sehr viel schneller zusammen, was den sicheren Umgang mit Ihren Unterlagen anbelangt.

Vertrauen und feste Abmachungen

Die Vertrauensbasis, die zwischen Informant, sprich Whistleblower, auf der einen Seite und einem Journalisten auf der anderen Seite notwendig ist, muss sich in der Regel relativ schnell einstellen. Denn sonst funktionieren zumindest solche Informationen und Geschichten nicht, die aktuell oder dringlich sind. Dies setzt zweierlei voraus:

  • klare Absprachen sowie
  • Die Verläßlichkeit solcher Absprachen.

Im Klartext bedeutet dies, dass Sie als Whistleblower, der - im Zweifel - das größere Risiko eingeht, auf klaren Abmachungen bestehen sollten: Was genau geschieht mit Ihren Informationen/Unterlagen? Wann und wie sollen sie veröffentlicht werden? Wie tauchen Sie in der Veröffentlichung auf - im Hintergrund oder überhaupt nicht? Undsoweiter. Und zweitens sollten Sie unmißverständlich klarstellen, dass es keine einseitige Veränderung dieser Abmachungen geben darf. Nur dann haben Sie Verläßlichkeit und können - etwaige eigene Vorsorgemaßnahmen (z.B. Urlaub während der Veröffentlichung- besser kalkulieren.
Wenn Sie das Gefühl haben, Ihr Gegenüber, der Journalist spielt da nicht mit oder weicht Ihren Vorstellungen aus, dann sind Sie an die falsche Person geraten. Brechen Sie den Kontakt ab und suchen Sie jemanden anderen.

Der Showdown

Wenn es soweit ist, d.h. die Geschichte kurz vor ihrer Veröffentlichung steht, kann es gegebenenfalls sinnvoll sein, für verschiedene Situationen eine Art ‚Schlachtplan' zu entwerfen, konkret einige Verhaltensregeln mit dem Medium zu vereinbaren, damit es nicht zu Konfusionen kommen kann. Das hängt aber davon ab, welche Reaktionen die dann veröffentlichten Informationen auslösen (können). Und davon abhängig könnte man dann alternative Handlungsoptionen vereinbaren, aber zeitlich eben vorher. Konkret ausmachen sollte man die Frage, wie es danach weitergeht. Also, ob danach Kontakte möglich sein sollen, über welche Kommunikationsmittel diese laufen sollen, zu welchen Zeiten am besten, oder ob man jetzt erst einmal gar nicht miteinander in regelmäßiger Verbindung bleiben sollte. Außerdem kann es sinnvoll sein, wenn der Termin der Veröffentlichung nicht (ganz exakt) feststeht, dass der Journalist seinem Informanten bzw. dem Whistleblower vorher Bescheid gibt, wenn bzw. wann die Geschichte dann genau laufen soll. Und so weiter und so fort. Von Vorteil ist es eben einfach, wenn auch für diese zeitliche Phase Klarheit für beide Seiten besteht, was zu tun ist und was nicht.

Danach

Auch ‚danach' ist nicht zu Ende. Stellen Sie sich folgende simple Situation vor: Sie treffen bei irgendeiner Gelegenheit, einem Empfang, einer Party, im Kaufhaus oder sonstwo ‚Ihren' Journalisten und können sich nicht sicher sein, dass Sie nicht von irgendwem beobachtet würden. Jede unnatürliche Handlung (Sie grüßen ihn nicht, sie drehen sich ganz abrupt um etc) würde sofort auffallen. Daher die Empfehlung: Bereits während Ihres gemeinsamen Arbeitsprozesses mit dem Journalisten sprechen Sie auch darüber. Er wird Ihnen vermutlich das empfehlen, was wir auch hier tun wollen: Verhalten Sie sich in solchen Fällen so, wie Sie es tun würden, ohne eine ‚geheime' Beziehung zu haben. Wenn Sie ihn sonst nicht kennen würden, dann kennen Sie ihn auch auf der Party nicht und lassen ihn links liegen. Und wenn Sie ihn sonst von weitem grüßen würden, dann machen Sie es eben auch hier. Nicht auffallen, sondern so agieren, wie sonst auch, heißt die Devise.

Denn das ist dann auch die letzte Empfehlung, die wir hier geben können: zukünftig wird im Regelfall für Sie fast alles so weiterlaufen wie bisher: Sie sind als Quelle nicht bekannt und verhalten sich so, wie Sie das schon immer getan haben. Und wenn Sie schon immer ein bißchen kritisch und keck gewesen sind, so behalten Sie diese Einstellung auch künftig bei. Und wenn Sie eher schweigsam waren, dann bleiben Sie das auch in Zukunft. In keinem Falle sollten Sie mit irgendwelchen Gesten, mit Mimik oder gar mit versteckten Hinweisen zu erkennen geben, dass Sie selbst der Auslöser für die fragliche Veröffentlichung und die dadurch bewirkten Veränderungen gewesen sind. Wenn Sie wirklich unerkannt bleiben wollen, ist dies die größte Herausforderung für Sie: Dass man Sie nicht für Ihr Handeln loben kann. Zumindest nicht im Augenblick.

(JL)

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